Ein neues Projekt, dass den C64 ans Internet bringt? Netzwerkmodule gibt es ja eine Menge, aber das WIC64 Projekt hat mich direkt angesprochen. Bei diesem Modul geht nicht der C64 ans Netz, sondern ein ESP32 Controller, der auf der einen Seite mittels WLAN mit dem Internet kommuniziert und die runtergeladenen Daten auf der anderen Seite über den User-Port in den C64 spült.
Dabei kann man den Datenabruf sogar mittels SYS Aufruf von Basic aus steuern. Das ist ziemlich spannend, man kann eigene Webservices und Clients für den C64 programmieren.
Bestandteile des WIC64
Um mit dem WIC64 euren C64 ans Internet zu bringen, müsst ihr zunächst die vier Komponenten die mitgeliefert werden zusammenbauen. Der Lieferumfang umfasst die Trägerplatine, die alle Komponenten zusammenbringt, ein ESP32 Controller der auch den WLAN Chip beinhaltet, ein OLED Display zur Anzeige der Konfiguration und ein Userport-Stecker um das Modul am C64 anzuschließen.
An die Grundplatine muss zunächst der Userport-Stecker aufgelötet werden. Anschließend wird der ESP32 und das OLED Display aufgesteckt. Schon kann es losgehen!
WLAN Daten konfigurieren
Nach ein paar Startschwierigkeiten, die aber wohl an meinen noch nicht sehr ausgeprägten Lötkünsten lagen, habe ich es geschafft mit der „Startsoftware“ ein paar Dienste aus dem Netz aufzurufen. Die Software kann über die offizielle Webseite des WIC64-Projekts heruntergeladen werden. Dort findet Ihr auch einen Link um den Bausatz zu kaufen.
Mit der „Startsoftware“ ist es möglich das WLAN zu konfigurieren. Nach der Auswahl der Netzwerk ID wird das Passwort eingegeben. Klappt die Verbindung erscheint die bezogene IP-Adresse und der Netzwerkname im OLED-Display des Moduls.
Es ist ebenso möglich die benötigten Befehle selbst an das ESP32 Modul zu senden und so die verfügbaren WLANs der Umgebung abzufragen und einzustellen. Die erforderlichen Routinen stellt die Firmware zur Verfügung. Eine aktuelle Dokumentation (sogar in Deutsch) findet Ihr auf der Projektseite des WIC64.
Was das offizielle Projekt bietet
Man darf sich das Surfen mit dem C64 nicht wie modernes browsen im Internet vorstellen. Dies wäre aufgrund des viel zu kleinen Speichers auch nicht möglich, bzw. sinnvoll. Allein der HTML/CSS Quelltext (ohne Bilder) der meisten Webseiten sollte die 64kb grenze deutlich sprengen, wobei ja nicht die vollen 64kb RAM im C64 zur Verfügung stünden. Zwar habe ich Projekte gesehen bei denen der Browserinhalt als Hi-Res-Bildschirmgrafik serverseitig umgerechnet und so zum C64 gesendet wird, dass er im Hi-Res Modus angezeigt werden kann, aber das ist wohl eher eine technische (wenn auch wirklich tolle) Spielerei.
Es ist eher so dass man sich, wie im Zeitalter der Mailboxen, einen speziellen Client, für einen speziellen Service herunterlädt, um diesen dann zu nutzen. Das WIC64 Projekt bringt auch einen solchen Client mit: die Startsoftware
Sie kann auf der Projektseite als .PRG Datei für den Commodore64 heruntergeladen werden und bietet neben dem Firmware Update des Moduls auch andere Dienste an:
Man kann über die Startsoftware mit dem C64 auf ein paar ausgewählte Programme zugreifen. Der Download geht aufgrund der wenigen KB Daten fix, die Übertragung zum C64 ist wirklich sehr schnell. Das WIC64 überträgt das Programm parallel über den Userport direkt in den RAM, was nur wenige Sekunden dauert. Ein Programm zum Herunterladen ist „International Karate+“. Bei meinem Test dauerte es 10 Sekunden vom anwählen des Downloads bis zum Spielstart.
Ein weiteres Programm das ich kurz getestet habe ist ein Labyrinth Spiel für zwei Spieler. Über Eingabe der IP-Adresse können sich zwei C64 über das lokale Netz verbinden. Ein C64 übernimmt dabei die Funktion des Servers. Es ist scheinbar eher eine Technikdemo, aber hat Potenzial. Es könnten zum Beispiel über ein VPN auch Partien über das Internet realisiert werden.
Die Startsoftware bietet ebenfalls Zugang zu einem Chatraum. Generell legt man einen User-Account an, vergibt also einen Nicknamen und ein Passwort um sich am WIK64 Service anzumelden. Mit diesem Nick nimmt man dann auch am Chat teil und kann sich mit anderen Usern austauschen, wenn diese online und an der Tastatur sind… 😉
Mein Fazit zu WIC64
Das WIC64 bietet die Möglichkeit Daten aus dem modernen Internet zum C64 zu übertragen. Dabei kann auch SSL-Verschlüsselung genutzt werden, da man nicht den Beschränkungen des C64 mit seinen 64KB (abzüglich OS und Programm) erlegen ist. Die eigentliche Verbindung wickelt komplett der ESP32 Controller ab, er stellt eine API zur Verfügung, die vom C64 aus angesteuert werden kann. Heruntergeladenen Daten werden zwischengespeichert und erst zum C64 übertragen, wenn das dort laufende Programm die Daten anfordert.
Meine Probleme die ich mit der Hardware hatte, kann ich wohl auf meine „Lötkünste“ zurückführen. Aber es gibt noch ein paar Zipperlein die wohl mit dem Modul selbst zu tun haben. Beispielsweise ist es mir nicht gelungen, das WIC64 zum Laufen zu bringen, während im Modulschacht mein 1541Ultimate II steckt. Ich musste die Startsoftware auf eine echte Diskette kopieren und das 1541Ultimate II entfernen, um das Modul benutzen zu können.
Auch die Startsoftware ist alles andere als fertig. (Stand Dezember 2021) Viele Optionen, wie das Nachrichtensystem, oder die Multiplayer Lobby sind nicht benutzbar, oder nur Platzhalter im Menü. Das Projekt ist aus einem Hobby heraus entstanden und die Entwicklung läuft in der Freizeit des Projektentwicklers. Viele kennen sicher das Problem mit dem Vollzeitjob neben dem Hobby…
Auf jeden Fall hat dieses Projekt aber eine Menge Potenzial, um den C64 über diesen Weg mit Webservices und spannenden Programmen zu versorgen. Es gibt auch schon einige Projekte die mit dem Modul genutzt werden können. Im FORUM64 findet Ihr dazu sehr viele Einträge und weitere Informationen.
Endlich eine Möglichkeit moderne Technologien mit unserer geliebten Retrohardware zu verbinden und zu nutzen!